Glaubt man Harald Uhlig, hat die deutsche
Wirtschaftswissenschaft ein Problem.
International hinkt sie hinterher.
"Gemessen an der Gesamtzahl von Publikationen
in den besten Journalen wird
Deutschland von vielen kleineren Landern
wie Holland oder Belgien locker in
den Schatten gestellt", sagt der Inhaber
des Lehrstuhls für Wirtschaftspolitik an
der Humboldt-Universität. Zudem würden
die Wirtschaftswissenschaften hier
zu Lande kaum gefördert. Eine Förderorganisation
unterstütze sie beispielsweise
mit sechs Millionen Euro jährlich, biologisch
orientierte Forschung erhalte dagegen
etwa 426 Millionen Euro.
Die Konsequenz: Deutsche Unternehmen
rekrutieren ihre Topmanager zunehmend
aus arnerikanischen Unis, und
auch in internationalen Organisationen
finden sich immer weniger Ökonomen,
die in Deutschland promoviert haben.
„Und niemand wird behaupten wollen,
dass die Wirtschaftspolitik in diesem
Land optimal ist", sagt Uhlig. Unter wissenschaftspolitischen
Fehlern leidet die
ganze Nation, doch niemand merke es,
oder beschwere sich.
Beschweren ist auch des Professors Sache
nicht. Der 44-Jährige wird lieber
selbst aktiv. In den letzten Jahren hat er zusammen
mit anderen Wissenschaftlern
den 2005 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft
(DFG) bewilligten Sonderforschungsbereich
(SFB) "Ökonomisches
Risiko" aufgebaut, der seinen Sitz an der
HU hat. "Wir wollen mit dem SFB vorgeben,
welche Richtung die deutsche Wirtschaftswissenschaft
in Zukunft einschlagen
soll", sagt Wolfgang Härdle, Ko-Sprecher
des SFB. Kern des Projekts ist das Finanz-
und Wirtschaftsdatenzentrum
(RDC), ein Tausch- und Forschungsforum
für Datensätze, Software- und Rechenprogramme.
So ein Zentrum fehlte
bislang in Deutschlandund war der Hauptgrund
für die Förderung der DFG.
Im RDC finden Betriebswirte und
Volkswirte Bilanzen von weit über
30000 Unternehmen aus mehr als 80
Ländern. Ein wahres Datenparadies. Auf
der ExecuComp-Datenbank, die Informationen
zur Managementvergütung liefert, greifen Forscher aus verschiedenen
Teilbereichen genauso zurück wie auf
EcoWin, Datastream und Worldscope.
Die drei Finanzmarkdatenbanken sind
besonders komfortabel und sparen vor allem
eines: "Zeit - die wichtigsten Ressource
für gute Forschung", sagt Uhlig.
Forscher aus der ganzen Welt, von Südkorea
über Schottland bis Osnabrück,
werden so nach Berlin gelockt. Quantitativ-
statistische und mathematische Methoden
werden in den Wirtschaftswissenschaften
immer wichtiger, glaubt Härdle:
"Früher hat man Modelle on Daten
überprüft, heute generiert man aus
Daten die Modelle."
Um auch den Nachwuchs auf die kommenden
Aufgaben vorzubereiten, sind
der Masterstudiengang Statistik und das
Doppeldiplom mit der ENSAE, Ecole Nationale
de la Statistique et de l'Administration
Economique, Paris, auf den Sonderforschungsbereich
maßgeschneidert
worden. Hier lernen Studenten den Umgang
mit quantitativen Methoden in der
Wirtschaftsforschung. Ein in Frankreich
erprobtes und gut funktionierendes Ausbildungsmodell.
In insgesamt 17 Teilprojekten untersuchen
Wirtschaftswissenschaftler, Statistiker
und Mathematiker von verschiedenen
Universitäten und Wirtschaftsinstituten
die Phänomene des ökonomischen Risikos.
„Wie beeinflusst das Risiko arbeitslos
zu werden, die Entscheidung eines
Menschen bestimmte Qualifikationen zu
erwerben?", ist eine der Forschungsfragen.
Franz Hubert erforscht die Risiken
des Immobilienkaufs. Der Betriebswirt
und Heinz-Nixdorf-Stiftungsprofessor erstellt
dazu einen Immobilienindex, der
die Preisrisiken einer Immobileninvestition
beurteilen soll. Daten und Forschungsergebnisse bekommt Hubert über das RDC